Der Weg zur ersten eigenen Prothese ist kein einfacher. Und egal, wie viel Geduld man hat – sie geht einem während diesem Prozess (auch genannt „Interimsjahr“) definitiv aus.
Doch erst einmal Schritt für Schritt:
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- Einen Orthopädietechniker finden
Meistens wird bei einer Amputation im Krankenhaus bereits ein Orthopädietechniker vorgestellt, mit dem man vor Ort zusammenarbeitet. Dennoch hat man immer das Recht, den Techniker zu wechseln. Die Arbeit mit dem Techniker muss auf guter Zusammenarbeit und gegenseitigem Vertrauen basieren. Denn er wird dich im besten Fall sehr lange begleiten.
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- Die Liner-Therapie
Nach der Amputation ist der Stumpf noch sehr geschwollen. Um ihn schneller in seine definitive Form zu bringen, wird vom Orthopädietechniker ein passender Liner bereitgestellt, den man mit wachsender Stundenanzahl am Tag trägt. Alternativ kann auch mit Bandagen gewickelt werden. Allerdings sollte diese immer von geschultem Personal um den Stumpf gewickelt werden, damit es nicht so einseitigem oder partiellem Volumenabbau führt.
Hat der Stumpf an Volumen abgenommen, wird vom Orthopädietechniker ein Gipsabdruck für die Prothese angefertigt. Mittels dieses Abdrucks entsteht dann die Interimsprothese. Einige Orthopädietechniker sind schon etwas moderner unterwegs und führen die Messung mittels Laser oder Aquamessung vor, traditionell wird von vielen aber noch der Gipsabdruck verwendet. Unabhängig davon lässt sich mit jeder dieser Varianten ein sehr gutes Produkt herstellen.
Liner sind so etwas wie Stützstrümpfe aus Silikon für den Stumpf. Es gibt sie in vielen verschiedenen Varianten. Alternativ kann auch fest mit Faschen gebunden werden, allerdings bekommt man mit dem Liner ein besseres und gleichmäßigeres Ergebnis!
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- Die Interimsprothese
Durch den Gipsabdruck oder die digitale Messung des Stumpfs kann der Orthopädietechniker einen Schaft formen, der im besten Fall für einen passend ist. Dabei wird ein sehr dickes Kunststoff-Material verwendet. Aber keine Angst: das finale Produkt ist wesentlich schlanker! Für die vielen Änderungen und Anpassungen des ersten Probeschafts eignet sich das dickere Material einfach besser.
Die Interimsprothese wird meistens mit einem Pin-System ausgestattet, damit man die Prothese nicht verliert, wenn der Stumpf durch die Bewegung weiter abnimmt.
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- Die Anpassung
Ist der Probeschaft erst einmal hergestellt kommt die wirkliche Arbeit: Die Anpassung. Denn der Schaft passt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch nicht perfekt. Hier eine Druckstelle, da ein Schmerz – der Orthopädietechniker bastelt laufend an der Prothese herum. In dieser Phase ist man relativ häufig bei Techniker seines Vertrauens, da laufend weitere kleine oder größere Probleme mit dem Schaft auftauchen.
Die Kommunikation zwischen Betroffenem und Orthopädietechniker muss dabei sehr gut funktionieren – wenn man ihm nicht über alle Probleme Bescheid sagt, dann kann er auch nichts ändern. Gegebenenfalls wird in dieser Phase sogar noch ein neuer Schaft angefertigt.
Das Vertrauen in den Orthopädietechniker bzw. das Vertrauensverhältnis zueinander ist mit das Wichtigste bei der prothetischen Versorgung! Ohne es kann eine nutzbare Prothese nicht gebaut werden. Selbstverständlich habt ihr auch das Recht ggf. den Orthopädietechniker zu wechseln.
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- Das Interimsjahr
Mit den ersten Arbeiten des Orthopädietechnikers beginnt das Interimsjahr. Dabei wird der Schaft wie oben erwähnt laufend angepasst und der Stumpf nimmt weiter ab. Meist hat er nach ein paar Monaten die finale Form erreicht und schwankt danach nur noch geringfügig.
Während es Interimsjahrs hat man auch die Möglichkeit verschiedene Prothesen-Passteile von div. Anbietern zu testen, um zu sehen, was am besten zu einem passt.
Danach wird auch die Prothese beim zuständigen Sozialversicherungsträger beantragt, damit diese im besten Falle beim Anfertigen des finalen Schaftes bereits verfügbar ist.
Keine Sorge! Auch bis zur Bewilligung habt ihr das Recht auf die Versorgung mit einem Leihgelenk!
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- Der finale Schaft
Nachdem der Probeschaft ausgedient hat, fertigt der Orthopädietechniker auf dessen Basis einen Carbonschaft an. Der ist im Gegensatz zum Probeschaft nur ca. 3mm dick. Auch hier braucht es wieder Rückmeldungen vom Betroffenen an und Anpassungen durch den Orthopädietechniker. Es muss hier mal geschliffen und dort ausgepolstert werden. In dieser Phase ist man erneut mehrere Male beim Orthopädietechniker, bis alles sitzt.
Vor dem finalen Schaft wird auch darüber gesprochen, welches Schaftsystem man bei der finalen Prothese haben möchte. Nähere Infos dazu findest du bald in einem separaten Beitrag.
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- Nachdem der finale Schaft sitzt, geht das Leben wieder richtig los 😊
Die Grenzen bei der Nutzung der Prothese setzt man sich dabei in den meisten Fällen selbst. Manchmal dauert etwas ein bisschen länger, manchmal muss man etwas kreativer sein – aber mit genug Durchhaltevermögen ist eigentlich alles auf die eine oder andere Art wieder möglich!
Erzählt uns doch von euren Erfahrungen und was ihr mit eurer Prothese alles machen möchtet oder sogar schon macht! 😊
Anmerkung: Der Punkt „Rehabilitation“ wurde bewusst weggelassen, weil diese bei Betroffenen zu verschiedenen Zeiten bzw. Stadien der Prothesenversorgung stattfindet. Eine spezialisierte Reha-Einrichtung sollte jedoch immer eine Orthopädie-Werkstatt besitzen, in der man ggf. schnell die Prothese anpassen kann.