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Hannas langer Weg zum Glück

„Tu nicht so, du bist gesund. Du bildest dir das nur ein.“

„Wenn du dich für diesen Schritt entscheidest, wirst du nie einen Mann finden und über die Familiengründung brauchen wir gar nicht erst zu reden.“

„Jetzt bist du noch ein Model. Mit einem Bein bist du das aber nicht mehr.“


Das sind Worte, die ich zwischen meinem zwölften und siebzehnten Lebensjahr von den verschiedensten Ärztinnen und Ärzten zu hören bekam. Du fragst dich sicher: Echt? Von Ärzten…? Und ich muss dir leider sagen: Ja.
Mein Name ist Hanna und ich bin 18 Jahre alt. Seit ich zwölf bin, kämpfe ich mit einer schweren Nervensystem-Erkrankung, die mein Leben komplett verändert hat.
Durch einen Turnunfall in der Schule verletzte ich mich zunächst an meinem Fuß. Anfangs sah es nach einer banalen Blessur aus, doch die Heilung wollte einfach nicht einsetzen. Ich wurde zwischen unzähligen Ärzten hin- und hergereicht und erst zwei Jahre später stellte sich heraus, dass ich eine seltene, schwere Erkrankung hatte: CRPS – Komplex Regionales Schmerzsyndrom.

Meine Familie und ich suchten schließlich selbst nach Hilfe in verschiedenen Krankenhäusern und ich wurde mit unterschiedlichsten Therapien behandelt. Doch es wurde nie besser, sondern immer schlimmer.
Zusammen mit meiner Familie kämpfte ich trotzdem immer weiter, weil ich einfach mein Leben zurückhaben wollte. Dieses Leben ohne Schmerzen, ohne körperliche Beeinträchtigungen und ohne diese ständigen Arzttermine. Ich war damals ein junges Teenager-Mädchen, das eigentlich gerade erst begann, das Leben zu genießen. Doch statt jugendlicher Unbeschwertheit hatte ich diese quälenden Arztbesuche, peinigende Therapien und immer stärker werdende Schmerzen. Ich konnte über meinen Unterschenkel keine Hose und am Fuß weder Socken noch Schuhe tragen und ich lief auf Krücken.
Die Menschen warfen mir Blicke zu, die alles in den Gesichtern erklärten: Mitleid, Ekel, Verstörung, Unverständnis. Ich selbst schämte mich sehr, weil mein Bein durch die Erkrankung so hässlich geworden war…

Als ich 15 Jahre alt war, hatte ich eine sogenannte SCS-Sondenimplantation. Das ist eine Elektrode, die mir ins Rückenmark eingesetzt wurde und die die Schmerzen ausschalten sollte. Verkabelt war die Elektrode mit einem Steuerungsgerät in meinem Unterbauch. Leider hat sich damals alles entzündet und nach zwei Monaten wurde alles wieder entfernt. Diese Sepsis hätte mich fast mein Leben gekostet.

Danach veränderte sich mein Leben vollständig. Ich hatte genug. Ich wollte nicht mehr das Versuchskaninchen sein, an dem alles Mögliche ausprobiert wird. Ich wollte selbst über meinen Körper und mein Leben entscheiden und selbst sagen dürfen, wann endgültig Schluss ist. Endllich traf ich die Entscheidung, dass ich all diese Qualen nicht mehr aushalten will.

Ich möchte die Amputation.

Dieses Bein ist nicht mehr meins und blockiert mich nur. Es lässt mich kein normales Leben führen.
Über zwei Jahre kämpfte ich dann für diesen Wunsch, denn ob man es glaubt ober nicht, selbst wenn man es will, eine Amputation ist mit vielen Hürden verbunden. In dieser Zeit wurde ich auch mit den anfangs beschriebenen Kommentaren konfrontiert. Denn für den ein oder anderen Arzt war ich ja immer noch ein Proband, mit dem man – sollte eine Heilung gelingen – international berühmt werden konnte….  
Im März 2024 kam es schließlich zur „Erlösung“ und nach einer Narkose wachte ich endlich ohne Bein wieder auf.

Und heute? Ich bin Hanna. Ich bin gesund und ich habe ein Bein. Ich lebe mein Leben wie ein neuer Mensch und ich liebe es. Ich bin Rettungssanitäterin und in der Ausbildung zur Krankenpflegerin. Ich probiere neue Hobbys aus und genieße jeden Tag. Die Liebe habe ich auch gefunden: mit meinem Freund bin ich mittlerweile fast ein Jahr zusammen!
Und das Wichtigste: Ich habe keine Schmerzen mehr!

Nach der Amputation durfte ich wundervolle Menschen kennenlernen, die mich gestärkt haben, mir gezeigt haben, wie wundervoll das Leben ist und was wirklich wichtig ist. Menschen, die ihren eigenen schweren Weg gegangen sind und jetzt einen neuen beschreiten, egal ob jung oder alt. In der Reha und auch in den Sportvereinen halten wir zusammen, unterstützen uns gegenseitig, ohne Neid, sondern um zu zeigen, was man alles erreichen kann.

Ja, eine Gliedmaße zu verlieren ist schrecklich und mit Risiken verbunden. Und ja, vielleicht schämt man sich dafür, fühlt sich anders.

Doch ich darf dir sagen: Wir bleiben so einzigartig und wundervoll wie vorher. Das Wichtigste, was ich dir ans Herz legen möchte, wenn du von einer Amputation betroffen bist  oder den Schritt nicht wagen kannst: Lerne deinen Körper kennen und liebe ihn so, wie er ist. Das ist meiner Meinung nach das Wichtigste für die Heilung: Akzeptanz und Positivität. Man kann alles im Leben erreichen, wirklich alles! Und auch, wenn man dir sagt: „Nein, das kannst du nicht“, dann probiere es. Versuche herauszufinden, ob es für dich funktioniert. Du wirst merken, ob es klappt oder nicht. Aber wie der Spruch sagt: „Wenn man es noch nicht versucht hat, kann man keine Meinung abgeben.“ Wie oft wurde mir gesagt, dass ich etwas nicht kann oder nicht mehr darf. Und jetzt habe ich meine Ziele erreicht! Also, verlass dich auf dich selbst!
Es gibt viele Menschen da draußen, denen es genauso geht wie dir. Du bist nicht allein! Vertraue auf dich und deinen Körper!

Eure Hanna

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